Ambulante Zwangsbehandlung: Nein!

Der Versuch, ambulante Zwangsbehandlung in Baden-Württemberg zu legalisieren, hat einen weiteren Dämpfer bekommen: Im Editorial der aktuelle Recht & Psychiatrie werden von dem Chefarzt der Bremer Psychiatrie, Martin Zinkler, wesentliche Argumente dageben veröffentlicht, siehe: https://psychiatrie-verlag.de/product/editorial-inhaltsverzeichnis-rp-1-2024/  Wir zitieren daraus [fett hinzugefügt]:

Ambulante Behandlungsweisungen in Baden-Württemberg?
Eine Gruppe von Psychiatern in Baden-Württemberg hat sich mit Unterstützung des dortigen Sozialministeriums zusammengetan, um gesetzliche Voraussetzungen für ambulante Zwangsbehandlungen im Landespsychiatriegesetz zu verankern. Dazu fand am 10.10.2023 im ehemaligen Kloster Zwiefalten eine Ethiktagung statt, bei der vorwiegend Befürworter:innen einer solchen Gesetzesänderung zur Sprache kamen. [Wir berichteten]
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Das grün geführte Sozialministerium und ein grüner MdL unterstützen die Initiative und möchten die ambulante Zwangsbehandlung sogar bei »erstauffälligen« Personen gesetzlich zulassen. Bemerkenswerterweise wurde bei der Tagung vorgetragen, dass es gar keine überzeugenden wissenschaftlichen Daten für die Wirksamkeit von ambulanten Zwangsbehandlungen (im an gloamerikanischen Raum Community Treatment Orders, CTOs) gibt. Die vorliegenden Studien sprechen eher gegen die Wirksamkeit. So spricht sich auch die Weltgesundheitsorganisation klar dagegen aus (WHO, 2023, S. 67)[siehe dort]
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Dabei scheint sich die Geschichte zu wiederholen: In Australien, Neuseeland und in Großbritannien wurde bei der Einführung von CTOs gesagt, wie jetzt in Baden-Württemberg: Es handle sich um eine kleine Gruppe von Patienten (junge Männer, mit Psychosen, Substanzkonsum und Migrationserfahrung), die in der Allgemeinpsychiatrie nicht ausreichend behandelt werden. Die Fortsetzung der Geschichte: In Neuseeland und im australischen Bundesstaat Victoria wird inzwischen jeder 1000. Bürger ambulant zwangsbehandelt, die Tendenz in der Anwendung der CTOs ist steigend und sie kommen überproportional bei Personen aus ethnischen Minderheiten zum Einsatz (Lees et al., 2023; Light, 2019). Die Hoffnung, dass sich durch ambulante Zwangsbehandlungen stationäre Zwangsunterbringungen verhindern ließen, hat sich in diesen Ländern nicht erfüllt. Es kam mit der Einführung der ambulanten Zwangsbehandlung zu insgesamt mehr Zwang im psychosozialen Hilfssystem.
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Schließlich verwundert es, dass die baden-württembergische Initiative erstmals bei einer Ethiktagung der Fachöffentlichkeit vorgestellt wurde; es sollte wohl eine ethische Rechtfertigung gefunden werden, wo es sich um ein eher realpolitisches Anliegen handelt: Überbelegung in der teuren forensischen Psychiatrie in Verbindung mit Fachkräftemangel und angespannten öffentlichen Finanzen.

Tatsächlich gibt es schon eine Regelung, die aber soweit ersichtlich kaum genutzt wird: die Möglichkeit der Auflage/Weisung in § 328 FamFG in Zusammenhang mit der Aussetzung des Vollzugs der öffentlich-rechtlichen Unterbringung. Der Bundesgesetzgeber hat sich jedoch in allen bisherigen Gesetzgebungsverfahren mit aus meiner Sicht guten Gründen gegen weitergehende Regelungen der ambulanten Zwangsbehandlung ausgesprochen.

Ob es sinnvoll ist, sich beim Gesundheitsministerium in BaWü bzw. dem Minister Lucha darüber zu beschweren, dass es solche Menschenrechte-verachtende Initiative unterstützt? Kontaktformular hier: