Lässt sich die Justiz Minister Konferenz so verschaukeln?


Stellungnahme als PDF zum ausdrucken

Gemeinsame Stellungnahme des
Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener e.V., Bochum
und der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V., Berlin
zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts des BMJV

Lässt sich die JUstizMInisterKOnferenz so verschaukeln?
Annette Schnellenbach außer Dienst stellen !

Mit aller Deutlichkeit hatte die Justiz-Minister-Konferenz (JuMiKo) vom 6./7. Juli 2018 in ihrem TOP I.6 den Ausbildungs- und Qualifizierungsforderungen der Berufsbetreuer ein klare Absage erteilt und diese trefflich begründet (https://tinyurl.com/jumikobeschluss).
Vorsorgevollmacht und „Betreuung“ dienen der Wahrnehmung selbstverständlicher Bürgerrechte der Betroffenen. Diese Aufgabe ausüben zu können ist geradezu ein Kennzeichen dafür, dass man ein Erwachsener ist und erfordert eben weder sozialpädagogisches noch medizinisches oder rechtliches Spezialwissen.
Die entsprechenden Zitate aus dem Beschluss der JuMiKo:

Die gesetzliche Festlegung von Eignungskriterien und die abstrakt-generelle Regelung des Berufsbilds für Berufsbetreuer sind unter Berücksichtigung des ursprünglichen – zivilgesellschaftlichen – Leitmotivs des Gesetzgebers und der gesetzlichen Regelung des § 1897 Abs.6 BGB, wonach die Betreuung vornehmlich von ehrenamtlich Tätigen (Familienangehörige oder ehrenamtliche Fremdbetreuer) übernommen werden soll, nicht erforderlich und abzulehnen. Soweit die Forscher ohne nähere Erläuterung Kenntnisse der Berufsbetreuer in verschiedenen Rechtsgebieten außerhalb des Betreuungsrechts24, im Bereich der Vermögensverwaltung und Privatinsolvenz25 und der Medizin26 als zumindest wünschenswert erachten bzw. die Einführung gesetzlicher Kriterien für die Qualifikation für Berufsbetreuer empfehlen27, steht dies im Widerspruch zu dem gesetzlichen Leitbild der ehrenamtlichen Betreuung. Das Gesetz geht davon aus, dass derjenige, der seine eigenen Angelegenheiten regeln kann, dies grundsätzlich auch für andere zu leisten vermag.
An diesem Leitbild gilt es auch weiterhin festzuhalten.

Es stellt sich die Frage, wer sich die Übernahme einer ehrenamtlichen Betreuung bzw. die Ausübung einer Vorsorgevollmacht noch zutraut, wenn er selbst nur die jedem Bürger aufgegebene Eigenschaft mitbringt, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern und sich Hilfen organisieren zu müssen. Die Positionierung des Berufsbetreuers als eines – vom (leistungsfähigen) Betreuten selbst zu finanzierenden – sozialpolitischen Akteurs verlagert nicht nur Aufwände aus den Sozialetats auf Private oder die Justiz, sondern unterminiert auch die Legitimität der gesellschaftlichen Verankerung des im Zivilrecht angesiedelten Betreuungsverhältnisses.

Das Gegenteil dazu soll nun nach dem in der Regie von Annette Schnellenbach entstandenen Referentenentwurf des BMJV gesetzlich novelliert werden:
Gesetzlich sollen Arbeitsvoraussetzungen für Berufsbetreuer geschaffen werden!
Vorwand: Zur Sicherstellung einer einheitlichen Qualität der beruflichen Betreuung soll ein formales Registrierungsverfahren mit persönlichen und fachlichen Mindesteignungsvoraussetzungen für berufliche Betreuer eingeführt werden.
Siehe im Gesetzentwurf (https://tinyurl.com/yct9dyjd) Seite 90/91, im PDF Seite 103/104

T i t e l   3
B e r u f l i c h e   B e t r e u e r
§ 23
Registrierungsvoraussetzungen; Verordnungsermächtigung

(1) Voraussetzungen für eine Registrierung als beruflicher Betreuer sind:
1. die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit,
2. eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer und
3. eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren mit einer Mindestversicherungssumme von 250000 Euro für jeden Versicherungsfall.

(2) Die nach Absatz1 Nummer1 erforderliche Zuverlässigkeit fehlt in der Regel, wenn
1. die Person hinsichtlich der Tätigkeit als beruflicher Betreuer einem Berufsverbot nach §70 des Strafgesetzbuchs oder einem vorläufigen Berufsverbot nach §132a der Straf-prozessordnung unterliegt,
2. die Person in den letzten drei Jahren vor Stellung des Registrierungsantrags wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlich begangenen, für die Führung einer Betreuung relevanten Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist,
3. in den letzten drei Jahren vor der Antragstellung eine Registrierung nach §27 widerrufen worden ist oder
4. die Vermögensverhältnisse der Person ungeordnet sind, was in der Regel der Fall ist, wenn über das Vermögen der Person das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder sie in das vom zentralen Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§882b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist.

(3) Die nach Absatz 1Nummer 2 erforderliche Sachkunde ist gegenüber der Stammbehörde durch Unterlagen nachzuweisen. Sie hat zu umfassen:
1. vertiefte Kenntnisse des Betreuungs-und Unterbringungsrechts, des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie auf den Gebieten der Personen-und Vermögenssorge,
2. Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und
3. Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen und von Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

(4) Das  Bundesministerium  der  Justiz  und  für  Verbraucherschutz  wird  ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten zu den Voraussetzungen der Registrierung nach den Absätzen 1 bis 3 zu regeln, insbesondere die Anforderungen an die Sachkunde und ihren Nachweis einschließlich der Anerkennung und Zertifizierung privater Anbieter von Sachkundelehrgängen sowie an die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

Und siehe Seite 172, im PDF Seite 185,  Zitat:

In diesen Beratungen bestand Einigkeit darüber, dass die Vorsorgevollmacht so niedrigschwellig und privatautonom wie möglich bleiben sollte und es gesetzliche Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts des Vollmachtgebers nur insoweit geben dürfe, als dies zur Abwendung von Gefahren im Falle eines feststellbaren Schutzbedarfs zwingend geboten ist.

Kommentar: Damit wird das Selbstbestimmungsrecht zugunsten psychiatrischer Beurteilung ausgeschaltet. Die RichterInnen mit ihren “Schutzbedarf” Vorstellungen werden wieder zum obrigkeitsstaatlichen Herrscher. Verräterisch, wie auf einmal in die privatautonome Entscheidung das Erfordernis von “Einschränkungen” phantasiert wird: Also gibt es keine privatautonome Entscheidung mehr, “Selbstbestimmung” wird zur Farce.

Siehe Seite 271, im PDF Seite 284, Zitat:

Damit werden die Fälle deutlich ausgeweitet, in denen das Betreuungsgericht trotz des Bestehens einer Vorsorgevollmacht einen Betreuer bestellen und hierdurch einen gegebenenfalls drohenden Missbrauch der Vollmacht von vornherein verhindern kann. Geändert worden ist zudem der Vergleichsmaßstab zur Besorgung der Angelegenheiten durch einen Betreuer. Während bisher in der Formulierung„ebenso gut“ ein Qualitätsaspekt enthalten ist, soll nunmehr klargestellt werden, dass Vergleichsmaßstab nicht eine bestimmte Qualität („gut“) ist, sondern eine mit einer Betreuung vergleichbare Besorgung der Angelegenheiten („gleichermaßen“)

Kommentar: Damit wird wieder der Staat mit seinen RichterInnen zum Herrscher gemacht und die Selbstbestimmung auf vorweg eilenden Gehorsam beschränkt – also zerstört. Der Rest ist durchsichtige Rhetorik – es soll wieder hemmungslos von RichterInnen weggesperrt und entmündigt werden können.

Diese Zerstörung des Kerns der BRK hat Annette Schnellenbach Abteilung IA 7 im BMJV unter 3 verschiedenen JustizministerInnen angerichtet. Sie beruft sich dabei auf eine angeblich aktuelle rechtswissenschaftliche und -politische Diskussion, um damit ganz offen auf Seite 136 im Entwurf die Rechtsbeugung der UN-BRK zuzugeben, indem die Interpretationshoheit der UN bzw. des UN-Fachausschusses geleugnet wird, um sich selbst an dessen Stelle zu phantasieren, Zitat: 

Dabei herrscht in der aktuellen rechtswissenschaftlichen und -politischen Diskussion in Deutschland jedenfalls weitestgehend Einigkeit darüber, dass das in §§1896 ff. BGB geregelte Instrument der rechtlichen Betreuung mit Artikel12 UN-BRK vereinbar ist. Die gegenteilige Rechtsauffassung des UN-Fachausschusses, die dieser in seinen im April 2015 veröffentlichten „Abschließenden Bemerkungen zum ersten Staatenbericht Deutschlands“ bekundet hat, wird ganz überwiegend nicht geteilt.


Annette Schnellenbach muss außer Dienst gestellt werden!
Sie folgt der World Psychiatric Association. 2019 schlug der Präsident dessen Ethikkomitees, Paul Appelbaum, vor: As best I can tell, there are three alternatives: ignore the CRPD, reinterpret it, or amend it. Im Weiteren auch, dass die psychiatrischen Fachgesellschaften die Regierungen dazu bewegen sollten, „das Übereinkommen zu ignorieren“. Siehe Editorial: http://docs.wixstatic.com/ugd/e172f3_71d7c75219fb432c9cd2a13c304ec3de.pdf
Statt auf uns als Betroffene zu hören, wie es die UN-BRK vorschreibt, hat sie sich zum Erfüllungsgehilfen der Berufsbetreuerlobby machen lassen. Das belegen wir im Folgenden:

Taten sagen mehr als Worte

Wie die Berufsbetreuer gieren und heucheln

Die Berufsbetreuer könnten ganz ruhig ihrer Arbeit nachgehen, aber sie wollen mehr – sie gieren nach beruflicher Exklusivität und mehr Geld, obwohl deren Bezahlung erst kürzlich um 15 Prozent erhöht wurde.
Ihre Ambitionen verfolgen sie zur Zeit mit einem Täuschungsmanöver, indem sie Halbwahrheiten zum Thema UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Verbindung mit dem deutschen Betreuungsrecht verbreiten, um damit so zu tun, als nähmen sie die UN-BRK ernst. Die ganze Wahrheit ist aber, dass sie versuchen den Betroffenen auch die Selbstbestimmungsrechte zu nehmen, die vom Staat schon zugestanden wurden, und so die Halbwahrheit zu einer ganzen Lüge machen.
Der Trick geht so – Zitat aus der
Stellungnahme des BdB e.V. [Bundesverband der Berufsbetreuer/innen] zum Zweiten und dritten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Seite 2):

Abschaffung aller Formen der ersetzenden Entscheidung
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, alle Formen der ersetzenden Entscheidung im Kontext einer Betreuung abzuschaffen und begründet diesen Schritt mit seiner staatlichen Schutzpflicht. Die Stellvertretung sei nach ihrer Auffassung – im Rahmen eines Schutzauftrages – als ein Element des Systems der Unterstützten Entscheidungsfindung zu bewerten.
Diese Aussage positioniert sich zunächst einmal deutlich ablehnend und konträr zu den Empfehlungen des UN-Ausschusses zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die inhaltliche Tragweite außer Acht gelassen, hat Deutschland formal gesehen die UN-BRK sowie das Fakultativprotokoll ohne Ausnahme ratifiziert und hätte vor der Unterzeichnung durchaus das Recht gehabt, bestimmte Artikel auszuschließen. Das ist nicht geschehen, daher gelten alle Artikel vorbehaltlos. Es ist somit rechtstaatlich geboten, die menschenrechtlichen Normen in ihrer Gesamtheit innerstaatlich zur Anwendung zu bringen.
Und es ist ebenso geboten, unterschiedliche Positionen mit dem UN-Ausschuss zu diskutieren und zu einer Lösung zu bringen. Alleine aus dieser Perspektive verwundert es schon, dass eine schwierige Diskussion wie das Thema der „ersetzenden Entscheidung“ von deutscher Seite erst gar nicht geführt wird.

Das könnte so stehen bleiben und wäre richtig, wenn der BdB nicht im Weiteren unterschlagen würde, dass es im deutschen Betreuungsrecht VORRANGIG zur Betreuung das Institut der Vorsorgevollmacht gibt (einzig in der Welt). Sie ermöglicht im Vorhinein die Selbstbestimmung, die einer Vollmacht inne ist. Gerichte müssen (mit ganz wenigen gesetzlichen Ausnahmen) die Tatsache der Bevollmächtigung akzeptieren, können den Widerruf der Vollmacht nicht verhindern und die Person des Bevollmächtigten nicht bestimmen! Durch die Vorsorgevollmacht wurde 1999 im deutschen Betreuungsrecht die Möglichkeit eingeräumt, Selbstbestimmung zu wahren und insbesondere mit der speziellen Patientenverfügung PatVerfü gegen die Zwangspsychiatrie durchzusetzen, wie es z.B. am 16.4.2020 vom Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 88 T 97/18 bestätigt wurde.

Der staatlichen Gewalt und gerichtlichen Zwangsmöglichkeiten unter Zuhilfenahme einer aufoktroyierten rechtlichen Betreuung sind die Hände gebunden. Die Vorsorgevollmacht gewährleistet unterstützende Entscheidungsfindung, weil die Vorsorgevollmacht – im Gegensatz zu einer durch ein Gericht verordneten rechtlichen Betreuung – durch den Bevollmächtigenden jederzeit widerrufen werden kann. Der Bevollmächtigende behält so das letzte Wort. Der Betreute hingegen kann seine Entmündigung nicht von sich aus wirksam kündigen. Er ist obrigkeitsstaatlich entmündigt; das kann keine Rhetorik verharmlosen oder beschönigen, wie es die Berufsbetreuer versuchen.

Die Unterschlagung dieses Teils des Betreuungsrechts zeigt die Verlogenheit der Stellungnahme der Berufsbetreuer-Organisation. Sie versucht, die einer gerichtlich autorisierten rechtlichen Betreuung inhärente Stellvertretung durch Entmündigung – im Gegensatz zur Ermächtigung durch den Bevollmächtigenden bei einer Vollmacht – weichzuspülen. Ihr „unterstützende Entscheidungsfindung“ anzudichten, und damit den Zwangscharakter, der einer von einem Gericht aufgezwungenen rechtlichen Betreuung inne ist, mit „in erster Linie“, „Erforderlichkeit“ und „nur einem Zwecke dienlich“ wegzuleugnen; Zitat im Weiteren:

Dies erkennt der BdB grundsätzlich als richtigen Weg an. Die UN-BRK sieht allerdings auch kein generelles Verbot von Beschränkungen der Rechts- und Handlungsfähigkeit vor, sondern verpflichtet vielmehr die Vertragsstaaten dazu, Maßnahmen in Form von Sicherungen zu ergreifen, zu denen auch eine gesetzliche Vertretung gehören kann. Es ist nach Meinung des BdB eine Fehleinschätzung, rechtliche Betreuung pauschal als ein System von ersetzender Entscheidung gleichzusetzen („Substitute Decision-Making Regimes“). Stellvertretung („gesetzliche Vertretung“) und ersetzende Entscheidung werden dabei ungerechtfertigter Weise oft gleichgesetzt. Stellvertretung ist in erster Linie die Befugnis zum stellvertretenden Handeln im Auftrag und Interesse des Klienten in zuvor gerichtlich bestimmten Aufgabenbereichen und bedeutet überwiegend die Unterstützung im Finden und im Transport einer Entscheidung. Die Rechtfertigung für eine stellvertretende Entscheidung ist die Erforderlichkeit und ist immer nur ein Mittel zur Erreichung eines Zwecks, nicht der Zweck selbst.

Damit wird das Ziel der Stellungnahme des BdB offensichtlich: Rhetorisch weichgespült und verklärt, soll alles beim alten Zwangsregime bleiben und das stellvertretende Handeln der unverändert durch Gerichte aufgezwungenen Betreuer durch Fortbildung und „Qualifizierung“ der Berufsbetreuer weggetäuscht werden. Dabei würde gerade diese Professionalisierung durch Fortbildung, „Qualifizierung“ und Zertifizierung bzw. Lizensierung der Berufsbetreuer die Selbstbestimmung zerstören, die das deutsche Betreuungsrecht durch die privatautonome Vorsorgevollmacht als vorrangige Alternative gesetzlich möglich gemacht hat, und die deswegen von der Berufsbetreuerorganisation unterschlagen wird.

Der BdB will zurück zu obrigkeitsstaatlichem Paternalismus: Richter und Ärzte sollen wieder allein bestimmen können. Unter dem Vorwand, dass diese angeblich das „objektive Wohl“ bestimmen könnten, soll die autonome Entscheidung der Betroffenen wieder aufgehoben werden können. Dazu sollen „Qualifikations“-Kriterien für Betreuung bzw. Betreuer geschaffen werden, so dass insbesondere in einem Konfliktfall dann bei einem privatautonom bestimmten Vorsorgebevollmächtigen diese für unerfüllt erklärt werden können, um einen angeblich „qualifizierten“ und deshalb geeigneteren Berufsbetreuer aufzwingen zu können. Das ist vorgezeichnet, weil in § 1896 Abs.1 BGB steht (Anm. + fett von uns):

Die Betreuung ist [nur dann] nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, … ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. [Im Gesetzentwurf nun synonym:„gleichermaßen“]

Sobald für Berufsbetreuer Qualifikationskriterien festgeschrieben würden, müssten diese auch von Vorsorgebevollmächtigten (und auch ehrenamtlichen Betreuern!) erfüllt werden können. Bevollmächtigte würden deklassiert. Zu diesem Ergebnis ist auch die „Interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Justizministerien der Länder und des Bundes zum Betreuungsrecht“ in ihrem Abschlussbericht vom 20. Oktober 2011 auf Seite 60 gekommen:

Ehrenamtliche Betreuer sind ohne formelle Qualifikationen grundsätzlich zur Führung von Betreuungen in der Lage. Eine Mindestqualifikation würde hingegen den Eindruck vermitteln, ein ehrenamtlich Betreuter erhalte eine Betreuung zweiter Klasse, und so den Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung aushöhlen. [https://tinyurl.com/y9poex3l]

Dies wird im Beschluss der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom  6. und 7. Juni 2018 bestätigt, siehe Zitat am Anfang.

Statt dass zweigleisig Betreuung und privatautonomer Vorsorgevollmacht der Weg weiter geebnet wird, soll auf Druck der Berufsbetreuerlobby und dem ihr dienstbaren Bundesjustizministerium (BMJV) wieder alles unter das staatlich-gerichtliche Überwachungskartell gestellt werden. Dabei wäre der einzig UN-BRK konforme Zug, entmündigende „Betreuung“ dadurch abzuschaffen, dass sie den Betroffenen nie mehr gegen deren erklärten Willen aufgezwungen bzw. aufrechterhalten werden kann. Sie würde dann den Charakter einer Vollmacht annehmen, was Betreuung im Wortsinn nur sein kann, weil sie treu zum Betreuten sein muss und nicht treu zu dem ins Amt einsetzenden Staat sein darf. Nur dann werden die Betroffenen letztlich immer entscheiden können.

Die Entwicklung zu einer gewaltfreien Pflege und Psychiatrie würde durch die vom BMJV geplante Rolle rückwärts unterbunden. Die von der UN-BRK versprochene Gewaltfreiheit würde eben gerade NICHT erfüllt werden, wenn dem Wunsch der Berufsbetreuer nach „Qualifizierung“ nachgegeben würde, um angeblich deren „Qualität“ zu steigern. Stattdessen würden Gerichte die „Eignung“ der Vorsorgebevollmächtigten in Frage stellen können.
Ergebnis: In jedem Konfliktfall, in dem ein Vorsorgebevollmächtigter den Anordnungen eines Arztes widerspricht, soll den Richtern wieder freie Hand gelassen werden, angeblich „qualifizierte“ Berufsbetreuer gegen Vorsorgebevollmächtigte auszuspielen. So soll wieder die Entscheidungsmacht über die Betroffenen durch dafür vom Gericht beauftragte, gefügige Betreuer erlangt werden.
Solange weiter Bevormundung – irreführend „Betreuung“ genannt – aufgezwungen werden kann, ist sie mit der UN-BRK unvereinbar. Unter keinen Umständen darf diesem Zugriff des Staates durch seine Gerichte auch nur ein Spaltbreit weiter die Tür geöffnet werden. Betreuer dürfen unter diesen Umständen NIEMALS irgendein staatlich reglementiertes Qualitätssiegel erhalten, solange die Betroffenen keine Qualitätskontrolle dadurch haben, dass sie die Betreuung jederzeit wirksam kündigen können.

Mögen Ärzte in Zusammenarbeit mit Richtern und Betreuern die dann wieder gewonnene Macht auch nicht immer ausspielen, alleine durch die Option, mit Zwang und Gewalt ihre Vorstellungen durchsetzen zu können, würde die Situation wieder völlig ins Autoritäre umschlagen lassen. Dass es nicht bei einer Option bleiben würde, ist 

a) durch die gerichtliche Praxis bewiesen, in der jede mögliche Lücke gegen die Selbstbestimmung genutzt wird: Eine solche Rechtsprechung wurde durch die Konstruktion gerechtfertigt, die ein richterlich bestimmtes Wohl dem in einer Vollmacht subjektiv bestimmten Wohl entgegensetzte und damit das vom Gesetzgeber eigentlich favorisierte Subsidiaritätsprinzip aushebelte. So wurden immer wieder der Vorrang einer privat-autonomen Bevollmächtigung durch eine einschränkende Auslegung des § 1896 Abs. 2 BGB unterlaufen, um Bevollmächtigte, die ärztlich unerwünschte Entscheidungen trafen, durch gerichtsbestimmte Betreuer zu ersetzen. Z.B. kam das Berliner Kammergericht in seinen Beschlüssen vom 14.03.2006 (1 W 134/05; 1 W 298/04; 1 W 340/04) und vom 31.10.2006 (1 W 448/04) zu dem Schluss, es sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass dem Willen der Vollmachtgeberin nicht gefolgt werde. Das Kammergericht bestätigte folgerichtig einen Beschluss des Berliner Landgerichts vom 8.6.2004 (83 T 128 + 472/03), das die Voraussetzungen für eine „Vorratsbetreuung“ als gegeben ansah, mit der Konsequenz einer über weitere Jahre hinweg aufgezwungenen Bevormundung (die Betroffene beendete diese jahrelange Negierung, Subjekt zu sein, am 10.1.2008 gewaltsam durch ihren Tod).

b) Wie rabiat Betreuer gegen Wunsch und Willen Betreuter vorzugehen bereit sind, ist dadurch bewiesen, dass sie nicht mal davor zurückschreckten, Amputationen gerichtlich zu erzwingen. Als das gesetzlich noch nicht möglich war, wurde auf Initiative der Betreuer diese Möglichkeit von Gesetzgeber seit dem 22. Juli 2017 mit dem neu geschaffenen § 1906a eingeräumt. Nun ist es z.B. auch möglich, dass Betreuer erzwingen können, psychiatrisches Elektroschocken zu erdulden.

Was Betreuer tun, wissen wir aus direkter Anschauung – mit ihrer vorgetäuschten UN-BRK-Konformität wollen sie nur ihre Machtbefugnisse ausweiten und ihre Bezahlung aufbessern.

Wenn aber die Rede von der Selbstbestimmung nicht nur rhetorische Täuschung sein soll, sondern tatsächlich grundsätzlich der Wille, die Wünsche und die Präferenzen des Betreuten Vorrang haben soll, dann ist die dafür notwendige und unhintergehbare Bedingung, dass gegen den erklärten [oder natürlichen] Willen des Volljährigen eine Betreuung weder eingerichtet noch aufrechterhalten werden darf.
Dann, und nur dann, wird Entscheidungsfindung unterstützt, wenn sie nicht mehr stellvertretend ersetzt werden kann. Betreuung könnte so zur Dienstleistung werden, weil das letzte Wort beim Betroffenen bleibt. Und zwar immer. Er/Sie muss alle – auch wohlgemeinten – Vorschläge und Beratung, ablehnen können und dafür ist die Grundbedingung, dass eine Betreuung weder gerichtlich erzwungen noch gegen den erklärten Willen aufrechterhalten werden kann.

 Das sind die markantesten Punkte zur Zerstörung der Selbstbestimmung, die bisher durch das Patientenverfügungsgesetz § 1901a und die Gesetzgebung zur Vorsorgevollmacht gesichert werden kann. Es könnten noch einige weitere Punkte zitiert werden, z.B. hat Annette Schnellenbach die uralt-Klamotte des

automatischen Ehegattenvertretungsrechts

in den Gesetzgebungsentwurf aufgenommen. Der Bundesrat hatte am 7.7.2017 eine Entscheidung zum Gesetzentwurf einer Ehegattenermächtigung von seiner Tagesordnung genommen. Er hatte damit in letzter Sekunde dieses schauerliche Gesetzgebungsverfahren gekippt, siehe unsere vier Berichte zu dessen Verhinderung:
Am 16.2.2017: https://tinyurl.com/yaxym9jj
Am 2.3.2017:   https://tinyurl.com/ycgutvvr
Am 16.3.2017: https://tinyurl.com/y8u844dd
Am 13.7.2017: https://tinyurl.com/yao3rp3k

Soll dieser gescheiterte Versuch jetzt als Verhandlungsmasse in den Entwurf aufgenommen worden sein, damit dieser Vorschlag preisgegeben werden kann, wenn es um die Professionalisierung der Berufsbetreuer geht, die Frau Schnellenbach (und das BJMV) unbedingt durchsetzten will, um der UN-BRK endgültig den Garaus zu machen?