Damit sie wissen, was sie tun

Am Mittwoch, den 16.1. tagt der Rechtsausschuss des Bundestages. TOP 14 ist der Gesetzentwurf zur Zwangsbehandlung.

Am Donnerstag, den 17.1. ist dieser Gesetzentwurf mit den im Rechtsausschuss dann eventuell beschlossenen Änderungen im Plenum des Bundestages zur 2. und 3. Lesung von 16.30- 17.20 Uhr als TOP 15 vorgesehen.
Im Parlamentsfernsehen wird man sich voraussichtlich die Reden dazu anhören können und u.U. verfolgen, wer wie abstimmt.

Zu dem Entwurf des Gesetzes gibt noch einen weiteren Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und FDP, der am 11.1. zur Drucksache des Rechtsausschusses wurde, hier veröffentlicht ist und der nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen wimmelt: bit.ly/W3fm2P
Ein weiteres Zuckerle für jede Juristin, die sich streiten will 🙂

Die-BPE hat am Freitag 4.1. nochmals an alle Abgeordneten des Bundestages geschrieben. Der Brief ist inzwischen auf deren Homepage veröffentlicht und wir geben ihn hier wieder:

 

Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V.

Geschäftstelle:
Vorbergstr. 9a
10823 Berlin

Fax: 030-782 8947
www.die-bpe.de

Freitag, 4. Januar 2013

Damit Sie wissen, was Sie tun

 

Betrifft: Drucksache 17/11513 Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

In unserem letzten Brief vom 23. November stellten wir fest:
“Und selbstverständlich ist eine solche rechtliche Diskriminierung unvereinbar, ja konträr, zur UN-Behindertenrechtskonvention.” Wir forderten Sie auf: “Bitte erkundigen Sie sich dazu bei der Monitoringstelle der UN-Behindertenrechtskonvention.”
Inzwischen liegt deren Stellungnahme für den Rechtsausschuss vor; sie bestätigt unsere Auffassung und wir fügen Sie in der Anlage bei. Wir bitten Sie, diese nicht nur zu lesen, sondern auch zu berücksichtigen.
Bisher war, außer von Abgeordneten der Linkspartei, noch kein Einsehen festzustellen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nicht nur die vom Bundesverfassungsgericht benannten Anforderungen nicht erfüllt werden, wie das unserem letzten Brief an Sie beigelegte Rechtsgutachten von RA Saschenbrecker nachweist, sondern auch gegen

Grundgesetz Artikel 1
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt

verstoßen wird. Denn die UN-Behindertenrechtskonvention buchstabiert die Menschenrechte gerade auch für den Bereich der Zwangspsychiatrie aus. Die Monitoringstelle ist die vom Bundestag dazu berufene und staatlich finanzierte Stelle, die die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Sinne der Konvention zu fördern und zu schützen, sowie die Umsetzung der Konvention in Deutschland zu überwachen hat. Sie hat nun festgestellt:

Die Monitoring-Stelle empfiehlt, … den Gesetzesentwurf abzulehnen…

 

Wenn Sie also für den Gesetzentwurf Drucksache 17/11513 stimmen sollten, der durch die Änderungen der Rechtsausschussdrucksache Nr. 17(6)222 auch nicht wesentlich verbessert wurde, dann würden Sie auch noch zentrale Belange der UN-Behindertenrechtskonvention verhöhnen und ganz offen zeigen, dass Menschenrechte für Sie unerheblich sind. Stattdessen würden Sie rückwärtsgewandt für staatlichen Paternalismus bis zu dem Extrem stimmen, dass Bürger an sich strafbare Körperverletzung zu dulden haben. Die 6 Lügen, die zur Rechtfertigung dieser Gewaltausübung bemüht werden, haben wir im letzten Brief schon beschrieben. Sie sind am 10.12.2012 durch eine angeblich “öffentliche” Anhörung im Rechtsausschuss bestätigt worden, in der der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) schon in den ersten 5 Minuten einem akkreditieren Journalisten verbot, Aufzeichnungen zu machen. Gesetze können nur dann tragfähig und folgenreich sein, wenn sie von einer Gemeinschaft getragen werden, die sich an diese Gesetze gebunden fühlt. Dies geschieht nicht automatisch durch das Inkraftsetzen eines Gesetzes, sondern es ist dafür die Anerkennung demokratischer Verfahren bei der Entstehung eines Gesetzes notwendig. Das Verbot der Aufzeichnung hat gezeigt, dass die vorschlagenden Fraktionen der CDU/CSU und FDP wissen, dass dieser Gesetzesvorschlag niemals von den Betroffenen akzeptiert werden wird, sondern ein Gewaltakt ist, um Hörigkeit gegenüber den Gewalttätern zu beweisen.

Wozu würde die im Schnellverfahren durchgepeitschte Gesetzgebung führen?

Rechtsunsicherheit

Da der Bundestag sehenden Auges, also wissentlich und willentlich, ein Gesetz verabschieden würde, das im Widerspruch zum Grundgesetz, zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den Menschenrechten steht, kann er nur Rechtsunsicherheit schaffen, die in der darauf folgenden Rechtsprechung zu divergierenden Interpretationen führen muss: Das könnte allerdings unterbunden werden, wenn sich im Bundestag entweder Oppositions-Fraktionen oder mindestens 156, sich ihrem Gewissen verpflichtet fühlende Abgeordnete zusammenschließen, sofort gegen das Gesetz stimmen und ein Normenkontrollverfahren in Karlsruhe beantragen. Wenn das aber unterbleiben sollte, dann werden leider als erstes die besonders wehrlos Ausgelieferten, z.B. Senioren in der Geriatrie, mit Zwangsbehandlungen überzogen werden.1Wir möchten jetzt schon ankündigen, dass wir alle, die können, auffordern werden, sich zu wehren und immer zu klagen. Koste es, was es wolle.
Vorhersagbar ist, dass etliche Richter konform zur BVerfG-Rechtsprechung entscheiden und weiter jede Zwangsbehandlung ablehnen werden, selbst wenn dieses neue Gesetz vortäuscht, Richter könnten wieder ärztegefällig und willkürlich entscheiden und alles sei wie früher geblieben, wie das Justizministerium frohlockt.

In Antworten von Abgeordneten auf unseren letzten Brief vom 23.11.2012 wurden zwei weitere Lügen wiederholt geäußert:
A) Zitat: “Der Bundesgerichtshof hat es nicht offen gelassen, sondern dem Gesetzgeber die Vorgabe gemacht, die Durchführung von Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln”.
Das ist eine wider besseres Wissen vorgebrachte falsche Behauptung, denn der BGH hat bekanntlich nur die Vorgaben des BVerfG aus den Entscheidungen 2 BvR 882/09 vom 23.3.2011 und 2 BvR 633/11 vom 12.10.2011 nachvollzogen. In beiden Beschlüssen hat das BVerfG gerade kein neues Gesetz gefordert, sondern nur die bestehenden Gesetze sofort genichtet, hat also festgestellt, dass seit 63 Jahren noch kein Gesetzgeber ein grundgesetzkonformes – also legales – Gesetz zur Zwangsbehandlung geschaffen hatte. Fälschlich zu behaupten, es gäbe eine Pflicht, ein solches Gesetz zu schaffen, verdreht also im Interesse der Gewalttäter die Wahrheit perfide in ihr Gegenteil. Selbst der BGH hat in der für ihn schmerzlichen Revision seiner Rechtsprechung explizit anerkannt, dass es keine Verpflichtung zu einer solchen Gesetzgebung gibt, in dem er in Absatz 47 der Entscheidung vom 20.6.2012 schreibt:

Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs.