Menschenrechtswidriger, nicht zu rechtfertigender Gesetzentwurf im Bundesrat
Mit der Entscheidung vom 24.7.2018 versuchte das Bundesverfassungsgericht den Tiger menschenrechtsverachtender Fixierung zu reiten, siehe hier.
Das Bundesjustizministerium (BJVM) versucht aufzuspringen und hat der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener (die-BPE) am 25.2. mit nur 4 Tagen Frist einen Gesetzentwurf zur Stellungnahme vorgelegt. Die-BPE hat trotz dieser extrem kurzen Frist eine ausführliche 6 seitige Stellungnahme auf menschenrechtlicher Grundlage vorgelegt, siehe hier: die-BPE_Stellungnahme_Fixierung
Zitate daraus [Farbe rot hinzugefügt]:
„Den hierzu vorliegenden Referentenentwurf lehnen wir vollumfänglich ab..“
„…Zur Wahrung grundlegender Menschenrechte und insbesondere der Menschenwürde, untersagen diese Abkommen übereinstimmend die Durchführung von grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Maßnahmen und Folterhandlungen (Art. 5 UDHR, Art. 7 ICCPR, Art. 15 CRPD, Art. 37 CRC). Dieses Verbot gilt absolut (Art. 4 ICCPR).“
„Dass es sich bei einer sog. Fixierung um eine Misshandlung und Foltermaßnahme handelt, haben mehrere Organe der Vereinten Nationen, die mit einer Funktion zur Kontrolle und Einhaltung von Menschenrechten betraut sind, festgestellt oder bestätigt.“…
Fazit: „Wir fordern den Gesetzgeber stattdessen auf, „Fixierungen“ als Folterhandlungen zu benennen und anzuerkennen. Wir fordern den Gesetzgeber weiterhin auf, absolut garantierte Menschenrechte vollumfassend einzuhalten und staatliche Menschenrechtsverbrechen einzustellen.
Ferner fordern wir das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz auf, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten und vorzulegen, welcher die Anordnung, Durchführung oder Billigung von „Fixierungen“ in allen Geltungsbereichen strafbewehrt untersagt. Das Verbot muss unabhängig von einer zeitlichen Dauer gelten. Vorzusehen ist auch eine Entschädigung der bislang Betroffenen.
Sollte die Bundesrepublik Deutschland weiterhin nicht gewillt sein, die Umsetzung der in der Behindertenrechtskonventionen garantierten absoluten Menschenrechte zu verfolgen, fordern wir den Vertragsstaat auf, sich international offen zu seinen praktizierten Menschenrechtsverletzungen als Unrechtsstaat zu bekennen und nach Art. 48 CRPD1 aus dem Abkommen auszuscheiden.“ Quelle siehe: die-BPE_Stellungnahme_Fixierung
Das BMJV hat entgegen der sonst praktizierten Transparenz keine der angefragten Stellungnahmen veröffentlicht, sondern den Entwurf zynisch als einem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen benannt und – typisch für ein Blitzverfahren – unverändert dem Bundeskabinett vorgelegt. Die Bundesregierung hat am 20.3. diesen Entwurf verabschiedet. Am Tag darauf war er schon im Bundesrat gelandet, siehe hier.
All dies geschieht, obwohl von Martin Zinkler & Michael Waibel Anfang 2019 in der Zeitschrift Psychiatrische Praxis, 46 in den Seiten S6–S10 des Supplement 1 diese wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht wurde:
Auf Fixierungen kann in der klinischen Praxis verzichtet werden – ohne dass auf Zwangsmedikation oder Isolierungen zurückgegriffen wird. siehe hier.
Zitate daraus:
„Ziel der Arbeit ist nun die vollständige Vermeidung von Fixierungen, ohne auf andere Zwangsmaßnahmen zurückzugreifen, so wie es von Psychiatrieerfahrenen gefordert wird.“…
„Grundsätzlich wird sich diese Situation dann ändern, wenn die Psychiatrie den Vorgaben der Organe der Vereinten Nationen folgend zu einem nichtdiskriminierenden und ausschließlich unterstützenden System wird. Vorbild dafür könnte das deutsche Suchthilfesystem werden, in dem Zwangsmaßnahmen außer in Extremsituationen kaum mehr eine Rolle spielen.
Im Suchthilfesystem führt die Bereitschaft des Betroffenen, sich helfen zu lassen, zu rascher Unterstützung bei einer Beratungsstelle und entsprechender Behandlung; die Ablehnung von Hilfe wird ebenso akzeptiert.
In fortschrittlichen Suchthilfesystemen sind Streetworker aktiv und aufsuchend tätig dort, wo Unterstützung gebraucht wird, und respektieren gleichzeitig die Selbstbestimmung ihrer Klienten auch in lebensgefährlichen Situationen und bei höchst gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen. Es gibt überall und jederzeit niedrigschwellige Hilfsangebote, die nicht in Zwangseinweisungen münden. Mit der jährlichen Erfassung der Drogentoten werden wir immer wieder an die Unzulänglichkeit des Hilfssystems erinnert. Und doch akzeptieren wir beim Zählen der Drogentoten, dass Freiheit nicht nur ein hohes Gut ist, sondern auch einen hohen Preis hat.
Fazit: KONSEQUENZEN FÜR KLINIK UND PRAXIS
1. Mit offenen Stationen und mit einem Verzicht auf Zwangsbehandlungen und Isolierungen bleiben noch Fixierungen als einschneidende und menschenrechtlich zu kritisierende Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie.
2. Solche Fixierungen könnten wahrscheinlich durch 2:1 oder 3:1-Betreuungen ersetzt werden.
3. Der Personalbedarf dafür ist quantifizierbar und bleibt im Verhältnis zum Klinikgesamtbudget überschaubar.“
Damit ist nachvollziehbar nachgewiesen, dass es (zumindest in der Psychiatrie) keinerlei rechtfertigende „Notwendigkeit“ für solche Zwangsmaßnahmen gibt! Also sind Fixierungen nur nicht zu legitimierender staatlicher Terror.
Bitte die lokalen Bundestags/Europa-Abgeordneten darauf ansprechen und deren Wählbarkeit von einer Stellungnahme gegen eine solche Gesetzgebung abhängig machen.