Kartell gegen § 63 StGB gegründet

63_stgb_thumbHeute hat Prof. Wolf-Dieter Narr die Gründung des Kartells gegen § 63 StGB mit folgender Pressemitteilung bekannt gegeben:
Mit der Freilassung von Gustl Mollath ist das Unrecht des § 63 StGB einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Statt dass der § 63 abgeschafft wird, soll er novelliert werden. Das Bundesjustizministerium hat dafür einen Entwurf vorgelegt und im Internet veröffentlicht.

Das war für mich der Anlass, ein Kartell gegen § 63 StGB zu initiieren, das heute von 7 Rechtsanwälten, darunter RA Gerhard Strate, und mir gegründet wurde. Das Ziel ist, dass der unsägliche, nazigescheitelte § 63 StGB gestrichen wird. Er nützt nichts. Ja er pervertiert in eins mit seinem Missbrauch das Strafrecht selber.

Da der § 63 bisher in der deutschen Rechtsdogmatik den Menschenrechten zuwider für ein ehernes Gesetz gehalten und vom BVerfG für verfassungskonform erachtet wird, soll als Zwischenschritt der Weg für die höchstrichterliche Feststellung der Unvereinbarkeit des § 126 a StPO mit dem Grundgesetz geebnet werden, wie es 2001 schon mit dem ähnlichen § 81 StPO geschehen ist. Damit würde es jedem Beschuldigten möglich, eine psychiatrische Untersuchung auf Schuldunfähigkeit erfolgreich zu verweigern.

Gründungserklärung des „Kartells gegen § 63 StGB“

Am 15. September 2015 hat sich das Kartell gegen § 63 gegründet.
Alle, die sich in dem Kartell zusammengeschlossen haben, sind sich in Folgendem einig:

Wir sind entschlossen, uns aktiv für die Abschaffung des § 63 StGB einzusetzen, weil er Unrecht ist. Am 24. November 1933 als Teil einer „als ob“ Version von Recht geschaffen ist die Willkür einer Diagnose von krankhafter Schuldunfähigkeit bei gleichzeitiger Gefährlichkeit offenkundig geworden, angefangen von Diagnosen als Todesurteilen von 1939-1948 über das Rosenhan Experiment, die von Armin Nack, der Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof war, hochgelobten Gutachten des Laiendarstellers Gert Postel, den gegensätzlichen Begutachtungsergebnissen von Frank Schmökel und Anders Behring Breivik, bis hin zu den aktuellen Skandalen um Gustl Mollath, Ilona Haslbauer, Ulvi Kulac.

Zwei Merkmale des Vollzugs des § 63 in der forensischen Psychiatrie:
• Willkürliche und regelmäßig längere Freiheitsberaubung als bei einem vergleichbaren Delikt im Regelvollzug
• Erzwungene Körperverletzung durch psychiatrische Zwangsbehandlung.
Der UN-Sonderberichterstatter über Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Juan Méndez, hat bereits seit 2013 einen „absolut Ban“ jeder Zwangsbehandlung legitimierenden Gesetzgebung gefordert. Staatlicher Zwang zu erduldender Körperverletzung per Gesetz steht vor der Todesstrafe als schärfste Sanktion des Strafrechts.

Allen am Kartell Beteiligten ist bewusst, dass der § 63 bisher in der deutschen Rechtsdogmatik den Menschenrechten zuwider für ein ehernes Gesetz gehalten und vom BVerfG für verfassungskonform erachtet wird. Wir orientieren uns an der Behindertenrechtskonvention (BRK) und dem absoluten Folterverbot. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat stattdessen klargestellt, dass der § 63 mit der BRK als völkerrechtlichem Vertrag unvereinbar ist.  Wir erinnern daran, dass Artikel 1 (2) GG die BRD auf die Einhaltung der BRK verpflichtet.

Das Folterverbot ist der tiefere Grund dafür, dass das BVerfG die Anwendung des § 81 StPO am 9.10.2001 für unzulässig erklärt hat. Alle am Kartell Beteiligten verfolgen deswegen in einem ersten Schritt das Ziel, dass der ähnliche § 126 a StPO vom BVerfG für unvereinbar mit dem GG erklärt wird.

Damit würde es jedem Beschuldigten möglich, eine Untersuchung auf Schuldunfähigkeit erfolgreich zu verweigern. Die Sichtweise, dass einem Beschuldigten in aller Regel dazu geraten werden sollte, diese Untersuchung zu verweigern, wird unseres Erachtens in der strafverteidigenden Anwaltschaft breite Unterstützung finden und sich dann auch in der Bevölkerung herumsprechen. Damit würde der § 63 so unterhöhlt, dass auch der Gesetzgeber nur noch die einzig richtige Konsequenz ziehen kann:

Die Abschaffung des § 63 StGB 

Um zu dokumentieren, dass wir mit den Organisationen der Betroffenen übereinstimmen, werden die Veröffentlichungen des Kartells von dem Bundesverband und der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener gemeinsam herausgegeben. Sie werden von deren Forensik-Beauftragten presserechtlich verantwortet.

Weitere Personen können dem Kartell beitreten, solange von keinem der Gründungsmitglieder ein Veto dagegen eingelegt wird.

[Die Gründung des Kartells und seiner Mitglieder ist hier veröffentlicht: http://www.psychiatrierecht.de/kartell.htm. Bitte dieses Link weiter verbreiten.]
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