Thomas Szasz überraschend verstorben

Thomas Szasz starb überraschend am 8. September 2012 in seinem Haus in Manlius, New York. Seine Tochter berichtete der New York Times, dass dies die Folge eines Sturzes war. Er wurde 92 Jahre alt.
Zum ehrenden Gedenken an Thomas Szasz anlässlich dessen 10. Todestags hier die Rede bei der Eröffnungfeier des neuen Werner-Fuß-Zentrums gegen Zwangspsychiatrie.

Die Irren-Offensive hat 1987 das von ihm entwickelte psychiatrische Testament, einen der Vorläufer der PatVerfü, übersetzt und veröffentlicht.
1997 hielt er bei dem Symposium der Freien Universität zur Gründung des Foucault Tribunals “Grausames Mitleid” drei Reden.
2001 war er beim Russell Tribunal zur Frage der Menschenrechte in der Psychiatrie in Berlin einer der beiden Ankläger.

Thomas  Szasz war 2002 der erste Preisträger des Freiheits-Preises der Irren-Offensive.
Weil alles, was damals bei der Verleihung gesagt wurde, wahr geblieben ist, soll es hier wiederholt werden:

Lieber Tom,im Namen der Irren-Offensive verleihe ich Dir den Freiheits-Preis der Irren-Offensive, die “Goldene Taschenlampe”. Es ist unser erster Freiheits-Preis und wir sind stolz, dass Du ihn annimmst. Dieser Preis ist ein Symbol unseres Dankes, da Du die erste Person innerhalb des unterdrückenden Berufsstandes der Psychiater bist, der den Mut und die Ehrlichkeit hatte, Licht in diese Schlangengrube zu werfen.
Deine Wahrheit befreite uns, die Wahrheit, dass so etwas wie “Geisteskrankheit” überhaupt nicht existiert.Es gab immer Klagen und Widerstandshandlungen in der Schlagengrube, aber die Stimmen der Verfolgten wurden als irrational diskreditiert, es fehle ihnen an Krankheitseinsicht, sie würden nur meckern, oder sie wurden einfach nicht gehört. So brach vor mehr als 40 Jahren Deine Stimme das Schweigen und war folglich der grundlegende Riss im Fundament der Unterdrücker, die Objektivität für sich beanspruchen. Die Wahrheit wird schließlich siegen, sie werden sich davon nie mehr erholen können.

Wir haben die “goldene Taschenlampe” gewählt, um folgendes damit zum Ausdruck zu bringen:

  • zuerst Deinen Sinn für Humor
  • zweitens den bahnbrechenden Wert Deiner Arbeit und
  • drittens die Sicherheit und Modernität Deiner Ideen, die meistens als gefährlich, wie eine offene Flamme im Pulvermagazin, missverstanden werden.

Wir wählten den Ausdruck “Schlangengrube”, nicht nur weil es in Amerika ein übliches Wort für das psychiatrische Gefängnis ist, sondern auch als Allegorie auf die Schlange, die als Symbol der Medizin gilt.
Du entmystifiziertest ihre bösartige Funktion, wenn die Medizin behauptet, mit Gewalt und Zwang helfen und heilen zu können.
Dieser Freiheits-Preis ist folglich auch ein Friedenspreis, da Deine Arbeit ein tiefes Vertrauen in zivile, gewaltfreie Verhältnisse zum Ausdruck bringt, anstelle eines gewalttätigen und paternalistischen, entmenschlichenden und entwürdigenden Verhaltens und einer Sprache im Befehls-Modus.

Du hast eher mit einem Scheinwerfer als einer Taschenlampe die grausame und inquisitorische Praxis dieser neuen Kirche, der medizinischen Wissenschaft, beleuchtet und deshalb ist dieser Freiheits-Preis auch ein wissenschaftlicher Preis, weil Du die grundlegende Funktion von Wissenschaft erfüllst, die nämlich darin besteht, zu kritisieren und die Wahrheit auszusprechen.
Vielen Dank Tom, dass Du seit über 40 Jahre der Leuchtturm für uns bist, der uns in unserem politischen Kampf für die Menschenrechte, die Wiedergewinnung unserer Würde und Menschlichkeit und die Überwindung eines entwürdigenden und entmenschlichenden Systems Orientierung gibt.

Die Irren-Offensive

Wer mehr vom bahnbrechenden Werk von Thomas Szasz erfahren will, findet auf dieser Website, neben einer Bibliographie, eine Auswahl von Texten in Deutsch: http://www.szasz-texte.de

Weitere deutsch- und englischsprachige Nachrufe sind hier veröffentlicht: http://www.szasz-texte.de/thomas-szasz-ist-tot.html.