Betreuungsbehördengesetz

Protest gegen geplantes Betreuungsbehördengesetz
sowie Stellungnahme von Prof. Wolf-Dieter Narr

Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V

Brief an alle
Abgeordneten des Bundestages
Platz der Republik 1

11011 Berlin

Freitag, 26. Mai 2006

Sehr geehrte/r Frau/Herr Abgeordnete/r,

mit Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat am 10.3.2006 noch einmal versucht hat, eine Gesetzesnovelle zum Betreuungsrecht durchzusetzen, die mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Genau wie beim Versuch, die ambulante Zwangsbehandlung (per geplantem § 1906a BGB) mit einem Überraschungscoup ohne jede Diskussion durch die Gesetzgebung zu peitschen, soll diesmal der Charakter der Betreuungsbehörde durch eine Änderung des Artikel 1, § 8 des Betreuungsbehördengesetzes völlig geändert werden, indem dort ein neuer Absatz 2 hinzugefügt wird.

Ohne Wissen des Betroffenen – geschweige denn seine Zustimmung – soll diese Behörde nun ermächtigt werden, dessen gesamtes Umfeld auszukundschaften, Ermittlungen anzustellen und Daten zu erheben. Als fadenscheiniger Vorwand soll dienen, dass das Urteil eines Vormundschaftsrichters, einen Betroffenen durch eine sogenannte “Betreuung” umfassend zu entmündigen und zu dem Verwaltungsgegenstand eines Vormunds zu machen, weil er angeblich nicht mehr für sich selbst sprechen kann, ins Verfahren selbst vorverlagert wird. Damit soll dem Betroffenen gleich von vornherein jede Möglichkeit genommen werden, sich zu wehren, denn die Ermittlungen gegen ihn sollen nun im geheimen von der Betreuungsbehörde geführt werden können.

Dieser Zynismus ist aufs bösartigste GEGEN das Wohl der Betroffenen gerichtet und erinnert fatal an die Methoden einer Geheimpolizei in totalitären Staaten – jede psychiatrische Verleumdungs-Diagnose wird dafür hinreichend sein.

Das ist das definitive Ende des letzten Scheins eines rechtsstaatlichen Verfahrens.

Wir fordern Sie auf, dieses Gesetzesvorhaben, das jetzt mit der Bundestagsdrucksache Nr.16/1339 vorliegt, ersatzlos und für immer fallen zu lassen. Es ist zutiefst totalitär, menschenverachtend und unvereinbar mit dem Grundgesetz.

Ersparen Sie sich die schwere Blamage, dass dies erst nach einem mühevollen Klageweg durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wird, wenn der Bundestag dem Gesetzentwurf zustimmen sollte. Bisher ist es nur, wie 2003 beim geplanten § 1906a, eine Schande für den Bundesrat.

Mit freundlichen Grüßen

gez. René Talbot

gez. Uwe Pankow

gez. Syvert Linnerud