Wahlprüfsteine für die Landtagswahl in NRW

Wahlprüfsteine der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener
für die Landtagswahl am 14.5.2017 in NRW

Die Fragen unten hat die-BPE der CDU, SPD, FDP, DIE LINKE, Grüne und Piraten jeweils mit der Bitte um Antwort als Wahlprüfsteine und mit einem Hinweis auf die anschließende Veröffentlichung gestellt. Die Ergebnisse der Umfrage:

  • DIE LINKE hat die Fragen völlig igoriert und nicht geantwortet. Wir raten von deren Wahl ab.
  • Die CDU hat zwar geantwortet, aber ihre hier dokumentierten Antworten sind völlig enttäuschend. Auf Zwang sollen Ärzte von sich aus verzichten und vorgeblich soll Zwang zwar vermieden werden, aber gesetzlich soll dem Zwangsregime der Ärzte eben gerade nicht das Handwerk gelegt werden. Damit ignoriert die CDU die Feststellungen des UN-Komitees für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und negiert die Forderungen des UN-Sonderberichterstatters über Folter. Sie offenbart sich damit – wie in Berlin – als eine Partei der Foltergesetzmacher. Besonders erschreckend ist, dass die CDU bei der Zwangsbehandlung die Menschenrechte, ausbuchstabiert in der Behindertenrechtskonvention (BRK), völlig unbeachtet läßt. Sie überlässt folterartige Zwangsbehandlung damit dem Filz von Ärzten, Richtern und Betreuern und ignoriert völlig die Stellungnahme von Papst Franziskus, der diese als Folter bezeichnet hat, siehe hier.
    Das ganze Ausmaß des Obrigkeitsstaatlich bzw. paternalistischen Denkens der CDU offenbart sich in dieser Antwort: “Daher ist es wichtig, vorzeitig einen möglichen Betreuer zu bestimmen.”  Anstatt zur Vorsorgevollmacht zu raten, empfiehlt die CDU, man solle in vorwegeilendem Gehorsam in die Falle tappen, einen Betreuer zu benennen. Eine dann gerichtlich angeordnete Vormundschaft, die nur zur Irreführung “Betreuung” gennant wird, kann man im Gegensatz zu einer Vorsorgevollmacht nicht mehr kündigen. Man muss alles Weitere einer neuen Entscheidung des Gerichts überlassen. Selbstbestimmung ade – Obrigkeitsstaat pur!
    Wir können nur von deren Wahl dringend abraten.
  • Wie die CDU ignoriert die SPD  in ihren hier dokumentierten Antworten die Feststellungen des UN-Komitees für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und negiert damit auch den Bericht des UN-Sonderberichterstatters über Folter. Sie offenbart sich damit – wie die GroKo in Berlin – als eine Partei der Foltergesetzmacher.
    Auf unsere Frage zur möglichen Entrechtung der Vorsorgebevollmächtigten durch Professionalisierung der Betreuung geht die SPD – wie die CDU –  gar nicht ein, sondern redet nur über ehrenamtliche Betreuung. Sie ist also – genauso wie die CDU – gefangen in obrigkeitsstaatlich bzw. paternalistischem Denken, denn jede Betreuung steht schon unter der Fuchtel des Gericht, es gibt keine Kündigung einer Betreuung. Wie sie vom Gericht dann aufgezwungen werden kann, wenn man keine Vorsorgevollmacht vorweisen kann, so kann ein Wechsel oder z.B. eine Aufhebung der “Betreuung” nur durch das Gericht entschieden werden. Man ist eben schlichtweg entmündigt.
    Wir können nur von deren Wahl dringend abraten.
  • Die Antwort der Grünen ist hier dokumentiert. Zwar behaupten die Grünen, sich konsequent für eine menschenrechtskonforme Psychiatrie einzusetzen. Sie scheuen aber, sich der Sichtweise des UN-Berichterstatters über Folter und dem UN-Fachausschuss für die Rechte von Behinderten anzuschließen, dass psychiatrische Zwangsbehandlung Folter ist. Stattdessen weichen sie aus, Zitat: “Wir haben in einem ersten Schritt das PsychKG an den Vorgaben der UNBehindertenrechtskonvention angepasst.” Das ist schlichtweg eine Regierungslüge und macht die Grünen unglaubwürdig. Entweder kennen sie die abschließenden Bemerkungen zum Staatenbericht nicht, aber zu vermuten ist eher, das sie diese nicht zur Kenntnis nehmen wollen, obwohl in der Frage explizit darauf hingewiesen wurde.
    Wie CDU und SPD fokusieren auch die Grünen auf die Entmündigung, die irreführend “Betreuung” genannt wird, statt auf die Selbstbestimmung durch eine Vorsorgevollmacht. Damit ignorieren sie genauso wie CDUund SPD diese und antworten nicht auf unsere Frage. Aus dem flauen Wischi-Waschi der Grünen eine Schlussfolgerung zu ziehen bzw. eine Wahlentscheidung zu treffen, möchten wir den Leserinnen und Lesern überlassen.
  • Die FDP hat geantwortet, auch versichert, dass sie die Folterfreiheit achten würde, aber in ihrer weiteren hier dokumentierten Antworten widerspricht sie dem, wenn es auf die Psychiatrie angewendet wird. Aus diesem Hin und Her eine Schlussfolgerung zu ziehen bzw. eine Wahlentscheidung zu treffen, möchten wir den Leserinnen und Lesern überlassen.
  • Als einzige sind die Piraten bereit, in ihren hier dokumentierten Antworten auf unsere Fragen substantiell einzugehen. Sie haben in ihrer Antwort auch Initiativen dokumentiert, die sie in der vergangenen Legislatur ergriffen haben. Nur ihrem Vorschlag, noch mehr Gutachten für eine Betreuung zu fordern, können wir überhaupt nicht zustimmen! Wir fordern dagegen ganz schlicht und einfach nur ein Wort im § 1896 BGB zu streichen, so dass er endlich ein BRK konformes Gesetz wird: Keine Betreuung gegen den erklärten [natürlichen] Willen!

Trotz der erwähnten Vorbehalte ist bei dieser Landtagswahl unsere Wahlempfehlung: Piraten wählen.

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Die Fragen von die-BPE:

(1) Die Prüfung des deutschen Staatenberichts zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat 2015 bestätigt, dass psychiatrische Zwangsmaßnahmen im Sinne der UN-BRK eine Foltermaßnahme sind. Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert als zuständige Kontrollinstanz eine Abschaffung aller psychiatrischer Gewaltmaßnahmen.

Frage (a):               Mit welchen konkreten parlamentarischen Initiativen (Anträgen, Entwürfen, Anfragen usw.)  hat sich Ihre Partei für die Durchsetzung des Folterverbots in der aktuellen Legislaturperiode im Landtag eingesetzt??

Frage (b):              Dennoch werden noch immer und alltäglich psychiatrische Gewaltmaßnahmen gegen Insassen in saarländischen Psychiatrien angewendet. Welche konkreten Maßnahmen wird Ihre Partei in der kommenden Legislatur ergreifen, um Psychiatriegewalt ausnahmslos abzuschaffen und darüber hinaus auch als Menschenrechtsverbrechen zu ächten?

(2)  Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention gibt vor, dass Menschen mit angeblichen oder tatsächlichen psychischen Störungen rechtlich gleichzustellen sind. Eine solche Gleichstellung schließt Sondergesetze für „psychisch Kranke“, wie die sogenannten Psychisch-Kranken-Gesetze der Bundesländer aus. Auch hier fordert der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in seinen ersten Allgemeinen Bemerkungen: „Die Vertragsstaaten müssen Verfahren und gesetzliche Bestimmungen abschaffen, die eine Zwangsbehandlung oder entsprechende Rechtsverstöße legitimieren.“

Frage (c):               Mit welchen konkreten parlamentarischen Initiativen (Anträgen, Entwürfe, Anfragen usw.) hat sich Ihre Partei für die Abschaffung des PsychKG in NRW (bzw. der darin enthaltenen Gewaltlegitimierungen) in der aktuellen Legislaturperiode im Landtag eingesetzt?

Frage (d):              Wird Ihre Partei in der kommenden Legislaturperiode konkrete Bemühungen verfolgen, das PsychKG abzuschaffen und der anhaltenden Entrechtung von Menschen mit angeblichen oder tatsächlichen psychischen Störungen konsequent entgegen treten?

(3)  Die Berufsbetreuer streben aktuell eine „Professionalisierung des Betreuungswesens“ an. In der Folge könnten Richter Vertrauenspersonen als Vorsorgebevollmächtigte diese Vollmacht mit der Begründung entziehen, das Wohl des/r Betroffenen könne auch entgegen dessen geäußerten Wünschen nur noch professionell von Personen mit einer beruflichen Qualifizierung bestimmt werden, insbesondere dann, wenn Ärzte dazu drängen. Damit sind Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, die die Selbstbestimmung festschreiben, akut bedroht! Denn in der Vergangenheit haben sich gerichtlich bestellte Betreuer regelmäßig als psychiatriehörige Befürworter von Psychiatriegewalt erwiesen, die sich nicht an den geäußerten Willen der Betroffen gebunden fühlen.

Frage (e):              Wird Ihre Landes Partei dieses Anliegen der Betreuer auf Bundesebene, insbesondere auch durch den Bundesrat, versuchen zu verhindern?
Was werden sie dazu tun?
Wenn nicht, warum nicht?