`Das ist Folter´

RA_Thomas_SaschenbreckerNach der jeweils ersten Lesung im Schleswig Holsteinischen Landtag hat der nun zuständige Sozialausschuss unter anderem die-BPE und RA Thomas Saschenbrecker zu einer Stellungnahme zu diesen beiden Gesetzentwürfen aufgefordert:
Gesetzentwurf der PIRATEN
Gesetzentwurf der S-H Landesregierung
Beide versuchen die noch nie Grundgesetz konform geregelte psychiatrische Zwangsbehandlung in der allgemeinen Psychiatrie und der Forensik zu legalisieren. Der Spezialist für Psychiatrierecht, Thomas Saschenbrecker, hat seine Stellungnahme nun veröffentlicht und das Ergebnis ist eindeutig – beide Gesetzentwürfe sind weder grundgesetz- noch menschenrechtskonform. Wir empfehlen dringend diese Stellungnahme, die auch Grundlage für die ergänzenden Erklärungen von die-BPE ist, zu lesen, um im Detail das ganze Ausmaß des offensichtlich von der Landtagsmehrheit auf Biegen und Brechen geplanten Bruchs mit Grundgesetz und Menschenrechten zu verstehen: http://www.psychiatrierecht.de/stellungnahme_S-H.htm
Zitat aus dem Fazit der Stellungnahme:

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sämtliche Gesetzesentwürfe in ihrer derzeitigen Fassung den hohen Anforderungen an einen Eingriffstatbestand der Zwangsbehandlung nicht genügen werden. Auch, wenn vor allem der Entwurf der PIRATEN durchaus als ‘fortschrittlich’ zu bezeichnen ist.

Insbesondere im Entwurf der Landesregierung werden die Vorgaben zur Patientenverfügung des § 1901a BGB und die Vorgaben des Verfassungsgerichtes (…) nicht vollständig und in letzter Konsequenz eingehalten.

Das Maßregelvollzugsgesetz schafft ebenso wie das PsychKG zwar Eingriffstatbestände für die Zwangsbehandlung vermeintlich Einwilligungsunfähiger, lässt aber Standards und Vorgaben zum Begriff und der Definition der Einwilligungsfähigkeit bereits im Ansatz missen. Eine solche verbindliche und auch allgemeingültige Standardisierung des Begriffes der Einwilligungsfähigkeit wäre aber Grundvoraussetzung für einen derartigen Eingriff in Grundrechte eines betroffenen Patienten.

Eindeutig hat sich auch der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Schleswig-Holstein zu dem Gesetzgebungsvorhaben geäußert:
Protest gegen Zwangsbehandlung bei psychisch Kranken: „Das ist Folter“.
Der entsprechende Bericht der Lauenburger Zeitung vom 12.3.2013, Zitat daraus:

Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung hat im Dezember 2013 einen Gesetzentwurf über die Änderung des Psychisch-Kranken-Gesetzes und des Maßregelvollzugsgesetzes (für psychisch kranke Straftäter) in den Landtag eingebracht. Diesen Entwurf lehnt der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Schleswig-Holstein e.V. (LPE) ab. Im Kern geht es darum, das gewaltsame Spritzen von Psychopharmaka in die Körper von gefesselten sogenannten psychisch Kranken wieder zu legalisieren.

Seit 2011 sind psychiatrische Zwangsspritzen in ganz Deutschland verboten. Zwei Forensik-Insassen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hatten 2011 erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das gewaltsame Injizieren von Psychopharmaka geklagt. […] „Der neue Trick für das dann angeblich verfassungskonforme Abspritzen ist der Richtervorbehalt. Wenn eine Richterin oder ein Richter zustimmt, ist nach dem Entwurf der Landesregierung das brutale Spritzen von bewusstseinsverändernden Drogen wieder legal. Eine Stellungnahme ging gestern an den Sozialausschuss des Landtages, der bis übermorgen schriftlich ‚anhört‘“, sagt Matthias Schuldt von der Brücke Lübeck.

Die zentrale Position des LPE ist, dass das Spritzen von Neuroleptika oder Beruhigungsmitteln gegen den Willen von Patienten eine Körperverletzung ist. Jede Behandlung gegen den Willen von Patienten ist Folter. Das sehen auch die Vereinten Nationen so. Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Juan E. Méndez, hat am 4. März 2013 Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie zu Folter, bzw. grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung erklärt.

„Bedauerlich ist die Ignoranz und das Desinteresse der Landesregierung gegenüber Psychiatrie-Erfahrenen. Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) wollte im Sommer 2013 weder mit Vertretern des LPE reden, noch war sie und auch ihre Staatssekretärin bereit, an einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 9. November 2013 in Lübeck teil zu nehmen. Diese Podiumsdiskussion war sehr gut besucht. Alle 70 Sitzplätze der Brücke-Lübeck waren belegt. Viele standen im Gang und saßen auf der Treppe. Ich weiß nicht, wie viele nicht mehr rein kamen“, schließt Schuldt ab.